Selbstoptimierung: Warum weniger manchmal mehr ist

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Menschengruppe macht Sport und hat Spaß dabei ©jacoblund

Höher, schneller, weiter – jeder von uns will besser werden. Das Streben nach einem “besseren” Ich liegt in unserer Natur und sorgt dafür, dass wir uns weiterentwickeln. Doch manchmal kann die Grenze zwischen einem Wunsch und einer Obsession verschwimmen. Wir verraten dir, was hinter dem Trend zur Selbstoptimierung steckt und wie du für dich einen gesunden Mittelweg findest.

Was ist Selbstoptimierung?

Heute schon die Schritte gezählt oder deinen Schlafrhythmus getrackt? Dank moderner Technik lässt sich inzwischen fast alles digital messen. Es existieren zahlreiche Apps und andere Tools, die deinen Fortschritt in Bereichen wie Schlafen, Essen, Körperzusammensetzung, Training, Produktivität aber auch mentales Wohlbefinden aufzeichnen können. Neben den Apps gibt es auch Workshops und Seminare, die dir das Know-how vermitteln, wie du in allen möglichen Lebensbereichen erfolgreicher werden und alte Gewohnheiten ablegen kannst.

Gerade während der Pandemie haben viele Menschen mehr Freizeit für Selbstoptimierung und gehen ihrem Wunsch zu einem “besseren” Ich nach. Schließlich soll diese Zeit auch möglichst produktiv genutzt werden — so der Gedanke dahinter. Dabei ist es wichtig, dass du dich verbessern willst, weil du es von dir aus wirklich willst und nicht, weil du aufgrund von Erwartungen anderer denkst, dass du solltest. Manchmal ist dieser Unterschied auf den ersten Blick nicht so klar zu erkennen. Folge: Der Wunsch zur Selbstverbesserung wird zu einem Drang und setzt dich unter Druck, anstatt für mehr Zufriedenheit zu sorgen.

Aber was genau bedeutet Selbstoptimierung eigentlich? Und ist das nun gut oder schlecht? Selbstoptimierung ist ein Trend, der seit langer Zeit existiert und uns antreibt, die beste Version unserer selbst zu sein. Klingt erstmal nicht verkehrt. Duden definiert Selbstoptimierung als “jemandes (übermäßige) freiwillige Anpassung an äußere Zwänge, gesellschaftliche Erwartungen oder Ideale” und schreibt dem Begriff somit eine negative Wertung zu1.

Dabei ist der Wunsch, besser zu werden, nicht gleich etwas Schlechtes, solange er von dir selbst kommt. Schon die Philosophen der griechischen Antike haben sich Gedanken gemacht, wie der Mensch sich verbessern könnte. Wobei sie ihr Augenmerk auf die moralischen Werte wie Ehrlichkeit, Loyalität oder Respekt gelegt haben.

Ursprünglich geht der Begriff “Optimierung” auf das lateinische Wort “optimus” zurück und bedeutet “der Beste, der Tüchtigste”. Die Grundidee bei Selbstoptimierung ist anhand von bestimmten Handlungen den bestmöglichen Zustand zu erreichen. Daher ist der Begriff als kontinuierlicher Prozess der ständigen Selbstverbesserung zu verstehen, der persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten auf das nächste Level bringen soll2.

Das Phänomen Selbstoptimierung ist also nichts Neues. Die Frage ist, warum wollen wir uns verbessern und ab wann wird ein Wunsch zum Zwang?

Eine Frau beim Meditieren
©Westend61

Woher kommt der Wunsch nach Selbstverbesserung?

Das Streben nach Selbstverbesserung und Perfektion ist ein natürlicher Trieb des Menschen und hilft dir, dich weiterzuentwickeln. Sonst würden wir alle den ganzen Tag nichts tun. Laut der psychologischen Persönlichkeitstheorie wird unsere Persönlichkeit von drei Instanzen geprägt: Über-Ich, Ich und Es.

Das Über-Ich vertritt unsere Moralvorstellungen, Werte sowie Regeln, die wir seit der Kindheit durch unsere Eltern und die Gesellschaft erfahren und verinnerlicht haben. Diese Instanz strebt nach Perfektion, spornt uns an und bewertet kritisch unsere Handlungen und Annäherungsversuche3. Das kann bei uns sowohl positive Gefühle wie Stolz erzeugen als auch negative Emotionen wie Schuld hervorrufen. An dieser Stelle lässt sich die Selbstoptimierung einordnen.

Ein weiterer Grund für Selbstoptimierung ist der Vergleich mit anderen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir sind darauf angewiesen, unseren Platz in der Gruppe zu finden. Wir wollen wissen, wo wir selbst stehen und wie weit der Rest ist. Sind wir in etwas besser als jemand anderes, pusht das unser Ego und stärkt das Selbstbewusstsein.

Leider kann Selbstoptimierung auch problematisch werden, sobald der Wunsch nicht von dir selbst kommt, sondern dir von anderen aufgezwungen wird. Außerdem sollten deine Ziele realistisch bleiben. Niemand kann der Beste in allen Lebensbereichen sein. Zudem haben einige Selbstoptimierer das Ziel, ihren Glückszustand digital zu messen. Dabei handelts es sich jedoch um ein komplexes Konzept, das sehr individuell ist und sich nicht so einfach berechnen lässt.

Selbstoptimierung vs. Optimierungswahn: Der gesunde Mittelweg

Solltest du dich also gar nicht mehr verbessern wollen und dir keine Ziele mehr setzen? Ganz im Gegenteil! Der Gedanke, mehr aus deinem Leben zu machen und eine bessere Version von dir selbst zu werden, ist durchaus etwas Positives! Wie bei vielen Dingen im Leben ist die goldene Mitte meistens die beste Option. Ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Erholung, eine Balance zwischen Selbstakzeptanz und Selbstverbesserung. Mit unseren Tipps kannst du deine Ziele erreichen, ohne in den Selbstoptimierungswahn zu verfallen:

Ein Mann lächelt und hält seinen Kaffee in der Hand
©The Good Brigade

#1 Kenne dein “Warum”

Egal, ob du mehr Erfolg im Job haben willst, dich fitter fühlen möchtest oder vorhast, deine Schlafqualität zu verbessern, Ziele zu haben ist toll! Neue Herausforderungen locken dich aus deiner Komfortzone und sorgen für Erfolgserlebnisse, nachdem du sie gemeistert hast. Wenn du in etwas besser werden willst, denke gründlich über den Grund für dein Ziel nach. Warum willst du gerade das verbessern? Was hast du persönlich davon? Entscheide dich für das, was dir wirklich wichtig ist.

#2 Nicht alles auf einmal

Du willst dich ab morgen vegan ernähren, mit Intervallfasten beginnen und das Ganze auch noch bis auf die einzelne Kalorie mit deinem Smartphone tracken? Halte kurz inne und atme tief durch. Fange erstmal mit einer Sache an, bevor du dich selbst überforderst. Beschränke dich pro Lebensbereich wie Persönlichkeit, Körper oder Berufliches auf ein einziges Ziel und verfolge es langfristig.

#3 Hab realistische Erwartungen

Wir leben in einer Welt, in der vieles schnell zu erreichen scheint. Ein neues Outfit landet mit einem Klick im Einkaufswagen und es gibt zahlreiche Tutorials, die uns in 15 Minuten zu “Experten” machen sollen. Denk daran, grundlegende Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen. Um neue Gewohnheiten zu entwickeln, musst du geduldig sein.

Auch Ziele, die auf den Körper bezogen sind, wie Muskelaufbau oder Shaping, brauchen Zeit und gehen mit einem Lifestyle-Wechsel einher. Dein Körper muss sich langsam anpassen. Deshalb stress dich nicht zu sehr und genieße den Prozess.

#4 Selbstakzeptanz 

Akzeptiere dich, so wie du bist, mit allen Schwächen und Stärken. Denn genau sie machen dich so einzigartig! Dich selbst zu lieben bedeutet nicht, dass du an dir nicht arbeiten kannst, sondern dass du mit dir selbst im Reinen bist. Wer sich selbst liebt, der hat seinen eigenen Wert erkannt und tut deswegen für sich selbst auch nur das Beste.

Du willst etwas für deinen Körper und deine Fitness tun? Super! Mach dein Training, weil es dir guttut, dir Spaß macht und für ein besseres Wohlbefinden sorgt. Nicht weil du einem bestimmten Ideal entsprechen musst. Ersetze das Wort “müssen” mit “wollen” und frage dich, was du wirklich willst.

Unser Lesetipp: Du willst mehr über Selbstliebe erfahren? Dann lies unseren Artikel Selbstliebe: So schaffst du es, dich selbst mehr zu lieben. 

#5 Gönn dir eine Auszeit

Ständige Selbstoptimierung und Tracking können anstrengend sein. Niemand kann dauerhaft nur auf Leistung ausgerichtet sein. Ein Gleichgewicht zwischen Anstrengung und Erholung ist essentiell für dein mentales und körperliches Wohlbefinden. Nicht umsonst baut dein Körper die Muskulatur in der Erholungsphase auf. Oder deine Kreativität steigt, wenn du dir Auszeit von einem Projekt nimmst und so einen neuen Blickwinkel entwickelst. Bist du ausgeglichen und gut erholt, hast du umso mehr Power, um deine Ziele zu verfolgen. Balance is key!

Unser Tipp: Um für ein gutes Gleichgewicht nicht nur von außen, sondern auch von innen zu sorgen, gönn dir eine kleine Auszeit mit einer Tasse Bio-Tee. Die natürlichen Inhaltsstoffe verleihen ein wohltuendes Gefühl und bringen etwas Entspannung in deinen stressigen Alltag.Jetzt Evening Relax Tea entdecken

Eine Frau guckt sich zufrieden im Spiegel an
©Sam-Edwards

#6 Vergleiche dich nicht ständig mit anderen

Social Media bombardiert uns täglich mit perfekten Bildern. Visuelle Reize haben einen großen Einfluss auf uns und das ohne, dass es uns immer bewusst ist. Obwohl wir wissen, dass die Fotos nicht immer zu 100 Prozent der Realität entsprechen, können wir es nicht jedes Mal aktiv verhindern, uns damit zu vergleichen.

Frage dich, wie wäre die beste Version von dir selbst. Messe deine Erfolge an deinen eigenen Veränderungen. Vielleicht bist du inzwischen bei einer Übung stärker geworden, hast mehr Ausdauer oder du hast eine neue Fähigkeit dazu gelernt.

Unser Lesetipp: Mehr Gründe für etwas Off-Time findest du in unserem Artikel Digital Detox — 12 Tipps für ein analoges Leben.

#7 Think outside the box

Bei dem Trend zur Selbstoptimierung dreht sich alles um das eigene Ich. Es ist nicht verkehrt, an sich selbst arbeiten zu wollen. Schließlich bist du der Hauptcharakter in deinem Leben. Aber manchmal kann ein Perspektivenwechsel dabei helfen, das große Ganze zu sehen und dich von Kleinigkeiten des Alltags nicht verrückt machen zu lassen.

Statt zu fragen “Was kann ich für mich tun?”, kannst du darüber nachdenken, was du für andere tun könntest. Einer anderen Person zu helfen oder etwas Gutes zu tun, kann dich selbst ebenfalls etwas glücklicher machen.

#8 Niemand ist perfekt

Dieser Satz ist so simpel, wie er wahr ist. Es muss und kann nicht immer alles perfekt sein. 95 Prozent können absolut ausreichend sein und machen oftmals viel zufriedener als der Versuch, irgendwie noch mehr möglich zu machen.

Wenn dein Streben nach Verbesserung dich unter Druck setzt, einschränkt oder ständig ein schlechtes Gewissen verursacht, sobald du einmal “undiszipliniert” warst, solltest du nochmal überlegen, ob du Selbstoptimierung nicht zu ernst nimmst. Denn so wirst du vielleicht in einer Sache besser, bist aber wahrscheinlich nicht die beste Version, die du sein kannst.

Fazit

  • Selbstoptimierung ist ein kontinuierlicher Prozess der Selbstverbesserung, der persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten auf das nächste Level bringen soll.
  • Selbstoptimierung fördert deine Entwicklung und kann dir helfen, deine Leistungsfähigkeit zu steigern, neue Herausforderungen zu meistern und zufriedener zu sein.
  • Die Grenzen zwischen einer sinnvollen Weiterentwicklung und einer zwanghaften Selbstvermessung sind manchmal fließend.
  • Finde deine eigene Balance, indem du dir Ziele setzt, die für dich persönlich Sinn machen und realistisch sind. Lass dir dabei Zeit und genieße den Prozess.
  • Nimm dir nicht zu viel auf einmal vor und setzt dich nicht unter Druck.

Artikel-Quellen

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  • 1https://www.duden.de/rechtschreibung/Selbstoptimierung
  • 2https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/311818/selbstoptimierung
  • 3Myers, David G. (2005): Psychologie, Heidelberg: Springer 2005.